Grundstilarten

Die japanischen Bonsaikünstler haben in den letzen 200 Jahren diverse Grundstilarten entwickelt und immer weiter perfektioniert. Die chinesischen Meister dagegen lassen den Bonsai mehr Raum, kümmern sich wenig um Regeln und diese Bonsais sind dann auch urwuchsiger. Hier in Europa haben einige gute Bonsai-Künstler einen eigenen Stil entwickelt. Es geht mehr in der Richtung die arttypische Form des Baumes zu gestalten. Eine Linde sollte auch als Bonsai immer noch als eine Linde erkennbar sein. Auch in der freien Natur kann der Baum in 10 bis 20 Jahren eine Form entwickeln, die ihm typisch ist. Natürlich spielen dabei Bedingungen wie Standort und Klima eine wichtige Rolle qua Aufbau. Brauchen Bäume in der freien Natur Jahrhunderte um ein impossantes Aussehen zu entfalten, dauert das bei Bonsai weniger als einige Jahrzehnte um das Gleiche zu erreichen.

Wenn Sie einen Baum als Bonsai-Kandidat gefunden haben, liegt es bei Ihnen zu erkennen oder sich vorzustellen, welche Gestaltungsform sich aus dem Ausgangsmaterial formen lässt. Als Anregungen können dies die so genannten Grundstilarten sein, wobei diese nur als Vorschläge und nicht als Diktat zu werten sind.

 

Die frei aufrechte Form (Moyogi)

Die frei aufrechte Form ist in der Natur die weitverbreitetste Form. Von unten nach oben weist der Stamm sanfte Biegungen auf. Unten dürfen die Biegungen recht ausgeprägt sein und weiter oben sind sie immer weniger ausladend. Nicht nur seitlich aber auch von vorne nach hinten sollten die Stammbiegungen gehen. Die Krone sollte immer genau im Lot über dem Stammfuss liegen. Der Baumspitz ist zur Himmel gerichtet und neigt sich leicht nach vorne.

Die streng aufrechte Form (Chokkan)

Der Bonsai als strengaufrechte Form. In der Natur wachsen solche Bäume ungestört von anderen Bäumen als Solitär auf. Das Wurzelwerk ist meistens strahlenförmig dicht an der Erdoberfläche verteilt und gibt dem Baum einen Eindruck von grosser Stabilität. Der Stamm verjüngt sich gleichmässig vom Stammansatz bis zur Spitze. Die Äste stehen meistens asymmetrisch und sind praktisch horizontal ausgerichtet. Lärchen, Fichten, Wacholder und Kiefern eignen sich besonders gut für diese Stilart.

Die geneigte Form (Shakan)

Eine Ableitung von der frei aufrechten oder der streng aufrechten Form. Durch Wind, eine einseitig schattige Lage oder durch teilweises Umkippen enstehen solche interressante Naturbeispiele. Solche geformte Bonsais sehen gleich älter aus und ziehen immer wieder den Blick auf sich.

Die Besenform (Hokidachi)

Ein Besenform-Bonsai sieht aus wie der japanische fächerförmige Besen. Im Winter sehen diese, in laublosem Zustand, am schönsten aus. Der Stamm ist streng aufrecht und aus einem Punkt entspringen, fächerförmig, die feinverzweigten Zweige bis zu einer ausgewogenen kuppelartigen Krone. Ahorn, Weide und Ulme eignen sich besonders gut dazu.

Kleiner Bonsai (Shohin und Mame Bonsai)

Shohin heisst frei übersetzt "kleiner Gegenstand" was auf einen sehr kleinen Bonsai hinweist. Bonsai, die unter etwa 25cm sind werden als Shohin oder Mame Bonsai qualifiziert.

Die Kaskade (Kengai)

Sieht man vielfach bei Nadelgehölzen in den Bergen oder an Steilküsten, die an einem Abhang oder an einer Klippe geklammert nach unten wachsen. Das Gewicht seiner Äste, aber auch die Natureinflüsse wie Wind, Regen und Schnee, drücken und ziehen seinen Wuchs nach unten. Damit diese Bonsai-Stilart schön zur Geltung kommt pflanzt man den Baum in eine spezielle hohe Kaskadenschale und stellt diese noch zusätzlich auf einem Pflanzenständer. Wacholder, Lärchen, Felsenmispel, Feuerdorn und viele andere Pflanzen sind dazu geeignet.

Die Halbkaskadenform (Han-Kengai)

Kommt auch im Gebirge vor, Wind und Schnee drücken den Baum in eine Schräglage von über 45°. Ein meist dicker stabiler Stammansatz mit gut sichtbaren Wurzeln auf der Gegenseite des geneigten Stammes sind notwenig um diese Form ein gutes Aussehen zu vermittlen. Die Spitze befindet sich am Ende fast auf der gleichen Höhe des Schalenbodens (nicht darüber). Sie brauchen eine etwas grössere Schale damit das ganze nicht umkippt, da doch recht viel Gewicht sich auf einer Seite befindet. Eine sehr schöne Stilart, die sich lohnt selber zu gestalten. Geeignete Pflanzen sind: Wacholder wie Juniperus sinensis, Föhre, japanische Lärche aber auch Laubgehölze wie japanische Zierkirsche und Stechpalme wie Ilex crennata.

Die Literatenform (Bunjingi)

Eine sehr interessante Form, eigenwillig und gegen allen Regeln der Bonsaikunst verstossend. Der Stamm biegt und windet sich zur Spitze hinauf. Ist schlank und lang, wie ein Baum, der sich, unter miesen Bedingungen, zum Sonnenlicht hochkämpfen muss. Im oberen Bereich des Bonsais sind wenige Äste vorhanden und der Wipfel ist meistens kahl, praktisch unbelaubt oder unbenadelt. Viele Koniferen und Laubbäume wie unser einheimische Weissdorn und  die Lärche ergeben gutes Material um einen Literaten-Bonsai zu gestalten.

Die windgepeitschte Form (Fukinagashi)

Im Hochgebirge und an der Küste von z.B. der Atlantik und am Nordsee finden Sie diese Bäume. Immer wieder dem Wind ausgesetzt und praktisch nur noch auf einer Seite beastet. Ist in der Gestaltung gar nicht so einfach und dadurch vielleicht als Bonsai weniger bekannt. Doch sehr wohl zu formen, braucht allerdings viel Aufmerksamkeit um die Form beibehalten zu können. Auch hier wieder als gutes Ausgangsmaterial - Nadelbäume und einheimische Laubbäume.

Die Stelzenwurzelform (Ne-Agari)

Die frei liegenden Wurzeln können durch fliessendes Wasser (Hochwasser) entstehen. Aber auch Stelzenwurzeln wie bei den Mangroven gibt es. Im Handel werden oft Bonsais wie Junischnee mit dieser Gesaltungs-Technik angeboten.

Auf dem Felsen-Stil (Ishizuke)

Ein Felsen kann in ein flaches Tablett gestellt werden, worauf verschiedene Pflanzen platziert werden.

Wurzel über Felsen (Sekijoju)

In den Bergen sieht man diese Form sehr oft. Starke Wurzeln wachsen über einen Stein oder Felsen in das Subtrat hinein. Geeignetes Material: Ahorn, Hainbuche, Weissdorn etc.

Miniaturlandschaft (Saikei)

Eine sogenannte Miniaturlandschaft auf einem Tablett oder in einer flachen grossen Schale ist eine reizvolle Kunst. Material wie Steine, Pflanzen, Moos, Gräser und Sand zu einer harmonischen Komposition zu bringen.

Landschaft (Bonkei)

Riesige Landschaften werden so in China und Japan gestaltet. Auf grossen Tabletten werden Felsen, umgeben von Wasser, platziert. Kleine Steine, Pflanzen, Häuser, Figuren und Schiffli in Miniaturform bilden eine faszinierende Landschaft.

Doppelstamm (Sokan)

Kommen sehr oft vor, man traut sich nicht immer diese Form zu gestalten. Der Doppelstamm sollte aus einer Wurzel aus der Erde oder knapp darüber hervorgehen. Der Bonsai sollte den Eindruck von Mutter mit Kind erwecken und dadurch sollte der eine Stamm höher und dicker als der zweite sein.

Dreifachstamm (Sankan)

Auch dort bilden sich wieder aus dem Wurzelstock drei verschiedene dicke und lange Stämme. (Mutter mit zwei Töchtern)

Mehrfachstamm (Kabudachi)

Bei dieser Stilart entspringen mehrere Stämme aus einem Wurzelsystem. Sie können oberflächlich gesehen sehr gut wie eine Gruppenbepflanzung aussehen. Es sind aber keine einzelnen Bäume sondern ihre Stämme entstehen aus einer gemeinsamen Wurzel. Dieser Bonsai ist nicht leicht zu finden, man kann aber eine geeignete Pflanze bis zum Boden zurückschneiden und aus den mehreren Neuaustrieben einen solchen Mehrfachstamm formen. Geeignete Pflanzen sind: Birke, Linde, Liguster, Hainbuche, Rotbuche etc.

Waldform (Yose-Ue)

Ein Wald auf kleinstem Raum kann immer wieder begeistern. Hier können unendlich viele Bäume angepflanzt werden. Die Gesamtmenge ist immer eine ungerade Zahl. Die Bäume stehen in unregelmässigen Abständen und sind unterschiedlich dick und gross. Die dominierenden Bäume stehen immer in einem asymmetrischen Dreieck zu einander. Auch hier wieder Vater, Mutter und Kind, also drei unterschiedliche, aber kräftigste Bäume des ganzes Waldes formen dieses Dreieck. Alle anderen Bäumen sind unterschiedlich lang und dick und werden harmonisch dazu gepflanzt.

Flossform (Netsunagari)

Hierbei handelt es sich um einen Bonsai, bei welchem Äste nach einer Seite gewachsen sind. Der Baum wird flach in die Schale gelegt und die Äste formen eine Art Mehrfachstamm. Diese Baumform findet man ab und zu in den Wäldern, wenn Stürme einen Baum umgeworfen haben und dieser so am Boden liegend weiter wächst.

Gewundene Form (Nejikan)

Kann aus biegsamen Ästen und Stämmen geformt werden. Kiefern, Eibe, Ulme und Zierquitte eignen sich besonders gut dazu. Ein Bonsai mit gedrehter Stamm wird aus noch biegsamem Material gestaltet.

Entrindeter Stamm (Sharimiki)

Diese Stilform kann man in der Natur hin und wieder beobachten. Durch Naturgewalt wie Blitzeinschlag oder andere Einflüsse können Ast- oder Stammpartien entrindet werden. Diese sehr interressante Stilart wird von grossen japanischen Meistern sehr gekonnt angewendet. Mit Werkzeugen wie Dremel, Rindenschäler, Spaltzange, Schmirgelpapier und Bleichmittel den Bonsai bearbeiten um zu solchen eindrücklichen Resultaten zu gelangen. Der Wacholder und Föhre eignet sich besonders gut für solche Arbeiten.

Entrindete Ast (Jin)

Jin ist eine Technik um Bäume älter wirken zu lassen als sie tatsächlich sind. Dabei sollte der natürliche Charakter des Baumes behalten bleiben. Mit Werkzeugen wie Dremel, Rindenschäler, Spaltzange, Schmirgelpapier und Bleichmittel den Bonsai bearbeiten um zu solchen eindrücklichen Resultaten zu gelangen.

Grundtechniken